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des Textes |
Der
historische Bonfatiusweg von Christian Vogel © Fotografien Behlen / Vogel Bearbeitungen Porter "Eine
der intimsten Freuden, die uns die
Beschäftigung mit der Lokal - Geschichtsforschung bereiten kann,
genießen wir, wenn es uns gelingt, Stätten unserer Heimat in
Zusammenhang mit welthistorischen Ereignissen zu bringen"
schrieb 1912 der bekannte Limesforscher Georg Wolff, als er in seinem Aufsatz "Bonfatius' letzte Fahrt durch die Wetterau" mit dauerhafter Wirkung ein Thema auf den Weg brachte, das 1888 der Mainzer Pfarrer und Schriftsteller Franz Falk in einem Beitrag für den "Katholik" zuerst angestoßen hatte: die Wegstrecke, auf der 754 der in Friesland erschlagene "Apostel der Deutschen" von Mainz/Hochheim nach Fulda gebracht worden ist. In der Tat hat seither dies Thema eine eigenartige Faszination ausgeübt auf alle, die mit ihm in Berührung gekommen sind. Vorläufer Wolff selbst, der von der Erforschung des römischen Straßennetzes in der Wetterau her kam, hat den genauen Wegeverlauf nur bis zum Frankfurter Stadtteil Kalbach aufgezeigt (wobei ihm die Rastplätze Kriftel und Kalbach durch Falk bekannt waren). Den weiteren Weg hat er pauschal - und unzutreffend - auf einer von ihm nur angenommenen römischen Straße durch das untere Niddertal bis Altenstadt vermutet. Unter Übernahme dieser Hypothese seines verehrten Gymnasiallehrers hat 1926 K.T.Christian Müller, - der lange Jahre als Kammerdirektor in Büdingen tätige "Straßenmüller", - das Thema für die weitere Wegstrecke ab Altenstadt aufgegriffen. Seine eingehenden Erkundungen der Straßen vor dem Vogelsberg im Gelände sind bahnbrechend, wenn er auch zu stark von den noch vorhandenen Wegezügen ausging. Den weiteren Verlauf des Weges hat er zwar zutreffend auf der rechten Nidderstraße angenommen (und die "Stumpe Kirche" bei Burkhards sowie aufgrund einer Anregung des Malers Hanny Franke die auffallende Gruppe von drei Kreuzen zwischen Eschborn und Sossenheim als Rastplätze eingeführt). Er hat aber die Rechte Nidderstraße zu früh bei Altenstadt angesetzt, den Übergang über den Hillersbach bei Lißberg noch nicht beachtet und schließlich ab der Höhe des Vogelsbergs den weiteren Weg bis Fulda fast durchgehend verfehlt (weil ihn der "Mönchsborn" bei Ilbeshausen auf eine unmögliche Strecke führte). An Müller knüpfte an 1955 nach dem letzten Bonifatiusjubiläum der zum klassischen hessischen Straßenforscher gewordene Marburger Historiker Willi Görich. Ihm ist zu verdanken, dass die Wegführung von der Höhe des Vogelsbergs hinab bis Fulda im Wesentlichen richtiggestellt und bei der Teilstrecke zwischen Kalbach und Heldenbergen Wolff durch Nachweis des Verlaufs der Strecke auf den römischen Straßen über Okarben korrigiert wurde. Erheblich zur Verwirrung hat Görich allerdings dadurch beigetragen, dass er in Folge seiner starken Fixierung auf Straßenführung über "große Wasserscheiden" die Korrektur Müllers übertrieben und für den Übergang über den Vogelsberg einen unmöglichen Weg rechts des Hillersbaches über den Taufstein angenommen hat. Neben der "Bonifatiusruhe" bei Heldenbergen (unter starken Vorbehalten, Müller hatte die Stelle noch in den Windecker-Nidderwiesen angenommen) taucht bei Görich zuerst als Rastplatz auf die "Schafskirche" bei Lißberg/Eckartsborn. Diese Information verdankte er dem 1972 verstorbenen Lißberger Heimatforscher Erhard Weitzel (Nennonkel des Autors, von dem er sein lebenslanges Interesse für das Thema gewissermaßen geerbt hat). Weitzel hat Görichs Teilstrecke über den Taufstein energisch widersprochen und nachgewiesen, dass die Wegeführung sich sogar noch strenger als von Müller angenommen an den Verlauf der Nidder hält und daher durch Lißberg führt. Im Großen und Ganzen war durch Görich, - ausgehend von Wolff und Müller und dann selbst korrigiert von Weitzel, - die Wegstrecke überzeugend nachgewiesen. Es ergaben sich aber immer noch zwei erhebliche Abweichungen. Außerdem fehlte eine überzeugende Einteilung der Gesamtstrecke in Etappen. Und schließlich war ab Glauberg fast überall noch der exakte Wegeverlauf im Gelände zu ermitteln. Denn die Vorläufer haben die Wegstrecke zwar meist über die anzunehmenden Höhenrücken laufen lassen, die "richtige" Trasse aber so gut wie immer um einige hundert Meter verfehlt. Bis zu systematischer Einteilung der Strecke und Erforschung des gesamten in Frage kommenden Geländes vor Ort war keiner der Vorläufer vorgedrungen. Zwei wesentliche Abweichungen Wesentliche Abweichungen der Strecke haben sich durch die genaue Lokalisierung von zwei bislang strittigen Rastplätzen bei "Bonfatiusbrunnen" ergeben. -Als Rastplatz bei Heldenbergen/Windecken steht jetzt der "Bonfatiusacker" (1862 in einer Karte eingezeichnet) beim "Bonifatiusbrunnen" (in einer Urkunde von 1349 erwähnt, später "Wichlingsbrunnen", heute nicht mehr vorhandenen) auf dem Ohlenberg oberhalb von Heldenbergen / Windecken unmittelbar an der Trasse der heute verschwundenen Römerstraße Okarben-Marköbel fest. Aufgrund einer genauen (durch Vergleich der übereinstimmenden Flurnamenfolgen in Urkunde und Ackerbüchern des 18. Jahrhunderts noch bestätigten) Analyse der Angaben in Bernd Vielsmeiers "Flurnamen der südlichen Wetterau" hat der Windecker Heimatforscher Heinrich Quillmann dies nachgewiesen. Damit gibt es an der Römerstraße Karben-Marköbel in nur drei Kilometern Entfernung gleich zwei Bonifatiusäcker! Bei dem ebenfalls an dieser Römerstraße vor Heldenbrgen liegenden, ebenfalls 1862 in der Heldenberger Pfarrchronik direkt als Bonifatiusrastort überlieferten zehntfreien "Bonfatiusacker" (heute "Bonifatiusruhe" mit einem 1909 errichteten Iroschottenkreuz - von einer angeblich versumpften Quelle ist erst 1926 die Rede) handelt es sich vielleicht um einen Zwischenrastplatz in der Nähe des Kaicher Freistuhls oder auch um eine Verlegung, als in den Zeiten der Nachreformation der auf nunmehr evangelischem Gebiet liegende Windecker Acker unzugänglich geworden war. Da der nun gesicherte Rastplatz ein Stück weiter direkt an der gradlinigen Fortführung der Römerstraße Karben-Heldenbergen auf die Höhe in Richtung Marköbel liegt, scheidet die bisher übereinstimmend angenommene Wegeführung von Heldenbergen durch das Niddertal nach Altenstadt aus (eine römische Straße durch das für eine gerade Trassenführung sehr ungünstige Gelände im Niddertal ist bislang ohnehin nicht nachgewiesen). Da als weiterer Rastplatz jetzt die "Meyerbruchquelle" im Vogelsberg feststeht, scheidet eine Fortführung der Strecke über Marköbel und die "Reffenstraße" aus. Als weiterer Weg kommt nur die vorrömische Hauptverbindung aus dem Süden zum Glauberg (und weiter zur rechten Nidderstraße) in Betracht. Sie führt über die Höhe links der Nidder durch das große Waldgebiet und Himbach zum geheimnisvollen Viereck vor den Düdelsheimer "Suder", und von dort in scharfem Knick zum Seemenbachtal weiter zum Keltenfürstenhügel und dem Sattel zwischen Enzheimer Kopf und Glauberg. -Genaue Analyse zweier gegenläufiger Grenzbeschreibungen des 12. Jahrhunderts führt zur vom VHC hergerichteten heutigen "Meyerbruchquelle" vor der Grebenhainer Höhe (kurz nach der höchsten Stelle des Weges) als dem "Bonifatiusbrunnen" dieser Beschreibungen und damit als Rastplatz. Daraus ergibt sich hinter Sichenhausen eine Wegstrecke im Bogen um den Sichenhauser Rehberg und von der Quelle weiter zur Grebenhainer "Burg". Geschlossene Kette von Rastplätzen Ein besonderer Reiz des Themas liegt darin, dass der Verlauf einer größtenteils bereits vorgeschichtlichen Straßenverbindung über bloße Rückschlüsse (wie sie Kartenstudium und Erkundungen im Gelände nun einmal nur ermöglichen) hinaus auch aus den durch schriftliche und steinerne Dokumente überlieferten Stationen als gesicherten Fixpunkten abgeleitet werden kann. Auszugehen ist daher von der schriftlichen Überlieferung, die nach jetziger Kenntnis an acht Punkten den Wegeverlauf belegt. Chronikalisch festgehalten sind Anfang und Ende des Leichenzuges in Hochheim und Fulda und dass an den Stellen der Mittags- und Nachtrasten Kreuze oder auch Kirchbauten errichtet wurden. Als ausreichend überliefert gelten konnten bislang nur derartige Gedenkstätten in Kriftel und Kalbach. An beiden Orten sind im Spätmittelalter Bonifatiuskirchen bezeugt; die Überlieferung, dass sie auf einem Rastplatz standen, führt in Kriftel bis ins 16. und in Kalbach sogar bis mindestens ins 12. Jahrhundert zurück. Inzwischen kann gesicherte Überlieferung zwei weiteren Stellen zugeordnet werden: dem "Bonifatiusacker" am Ohlenberg über Heldenbergen/Windecken und der "Meyerbruchquelle" vor der Grebenhainer Höhe. Schließlich führt eine Einordnung des Chronik-Berichtes über die Hauptrast in der Mitte des Weges (als vor dem Eintritt in das Waldgebiet die Frauen umgekehrt seien und Proviant genommen wurde) zu Glauberg als Hauptrastort auf halbem Weg (und zur Stelle der wohl deswegen im Gegensatz zu sonstigen Bergkirchen vom Berg an den Hang verlegten Glauberger Kirche als Rastplatz). Eine einzige, die achte Quelle (eine Grenzbeschreibung aus der Gründungszeit des Klosters Fulda) beschreibt ein Stück Wegeverlauf direkt (nach ihr verlief jenseits der Lüder der Weg von West nach Ost südlich der Bimbach-Quelle). Der nächste Schritt führt zu Kreuzen oder Ruinen von Kirchbauten im Gelände. Jeweils in passender Entfernung zu vorhergehenden oder nachfolgenden schriftlich belegten Rastplätzen finden sich die auffallende Kreuzgruppe direkt an der Elisabethenstraße zwischen Eschborn und Sossenheim, die Ruinen von "Schafskirche" bei Lißberg und "Stumper Kirche" bei Burkhards sowie das Kreuz ("Kreppelstein") oberhalb von Blankenau. Ritzzeichnungen in das mittlere Kreuz der Gruppe an der Elisabethenstraße werden unterschiedlich als HBqt (Hic Bonifatius quievit=hier ruhte Bonifatius) oder Messer/Schwert (Symbol des Bonifatius) gedeutet. In das Kreuz bei Blankenau eingeritzt ist ebenfalls ein Schwert. Die beiden einsamen Kirchenruinen bei Lißberg und Burkhards unmittelbar bei der vorgeschichtlichen Straße können von ihrer Lage her nur aus besonderem Anlass errichtet worden sein. Als einziger noch fehlender Rastplatz der Kette erschliessen lässt sich schließlich etwa auf der Mitte des römischen Straßenzuges zwischen den Bonfatiusbrunnen von Kalbach und Heldenbergen/Windecken die in der Nähe des Petterweiler Hochgerichts und eines Straßenknotenpunktes liegende überaus auffallende Baumgruppe auf dem Schäferköppel bei Kloppenheim. Diese zehn Rastplätze führen mit jeweils passenden Abständen zu einer lückenlosen Kette von zwölf Etappen einer siebentägigen Prozession, deren Verlauf offensichtlich genau geplant wurde. Alle Rastplätze liegen in historisch bedeutsamer Umgebung (Hochgerichtstätten, Römerlager, vorgeschichtliche Kult- oder Befestigungsanlagen, Straßenkreuzungen). Dabei dürfte der tote Bonifatius stets ein Stück hinter dem eigentlichen Rastort, an dem gespeist und geruht wurde, zurückgeblieben sein. Konkrete Wegespuren Im Ganzen wird durch diese Zehnerkette die von den vier Vorläufern festgestellte Straßenführung von Hochheim nach Fulda - abgesehen von den beiden erheblichen Abweichungen - bestätigt. Selbst zwischen den gradlinigen Römerstraßen der Wetterau blieben aber noch ungeklärte Stellen, und ab Glauberg waren nicht mehr als die "richtigen" Höhenzüge aufgezeigt. Das Gerippe musste daher noch mit Fleisch aufgefüllt und der konkrete Straßenverlauf im Gelände nachgewiesen werden, denn nicht in der Vermutung, sondern in der sichtbaren Spur des Vergangenen liegt der Reiz. Hierzu bedurfte es systematischer Durchkreuzung von mehr oder weniger breiten Geländestreifen auf der Südseite der in Frage kommenden Höhenrücken, bis sich - manchmal urplötzlich beim Blick in Hecken oder Schonungen - eine ausgeprägte Rinne, eine alte Wegspur, Wallfassungen, begleitende Hügelgräber usw. fanden. Wo alternative Höhenrücken oder Übergänge in Betracht kamen, waren Kontrollgänge erforderlich. Mit zumutbarem Zeitaufwand ist diese Art von Geländeforschung nur bei Zwischengebrauch eines Fahrrads möglich. Aus systematischer Überprüfung des Geländes anhand des vorhandenen Kartenmaterials ergibt sich zunächst ein präzisierter Ansatz für die Suche nach vorgeschichtlichen Wegen überhaupt. Die von Görich aufgestellte und von der Forschung übernommene bahnbrechende These, dass vorgeschichtliche Wege "Höhenwege" sind, ist dahin zu verfeinern, dass es sich genauer um "Wege am Höhensüdhang" handelt. Sie meiden - weil über lange Strecken benutzt - wegen der dort ungehemmten Windeinwirkung von beiden Seiten grundsätzlich den Höhenkamm selbst und verlaufen ein (oft nur kleines) Stück weiter unterhalb am geschützteren Abhang. Dabei bleiben sie zur besseren Ausnutzung der Sonneneinwirkung grundsätzlich wann immer nur möglich auf der Südseite und lassen die Steigung so allmählich wie es das Gelände abgibt anlaufen. Schließlich vermeiden sie sorgfältig nasse Geländetrichter und nicht unbedingt notwendige Aufs und Abs. Auszugehen ist bei der Suche am Südhang von den ältesten kartographischen Aufnahmen, denn einmal benutzte Wege gehen nicht so leicht ganz unter. Für die gesamte Strecke sind dies zunächst die Erstausgaben der vor etwa einem Jahrhundert entstandenen Messtischblätter. Über diese hinaus führen im ehemaligen Großherzogtum Hessen die teilweise bis etwa 1830 zurückreichenden Flurkarten, im ehemaligen Herzogtum Nassau ebenso alte Vorläufer der Messtischblätter. Noch einige Jahrzehnte weiter zurück reichen einzelne andere Karten, und bis ins Mittelalter im Einzelfall schriftliche Hinweise. Was sich aus den Karten ablesen lässt, muss sich im Gelände durch heute noch bestehende Wege oder doch durch deutliche Wegereste (vor allem Rinnen und breite Heckenstreifen) bestätigen lassen. Nur wenn das Kartenmaterial im Einzelfall gar nichts hergibt, sollte direkt von noch vorhandenen Wegen oder Wegeresten ausgegangen werden. Von diesen finden sich jedenfalls auf der gesamten Strecke so viele, dass reine Rekonstruktionen nicht erforderlich sind. Auf diesem Weise lässt sich eine schlüssige Wegführung zwischen den Stationen aufzeigen. Ein strenger Beweis ist damit natürlich nicht erbracht, und weitere Korrekturen mag die Zukunft bringen. Der für die Prozessionsstrecke jetzt anzunehmende Wegzug hat sich jedenfalls im erstaunlichen Umfang bis heute erhalten. Bis Heldenbergen laufen sehr weitgehend direkt auf der Trasse der angenommenen römischen Straßen oder doch in Anlehnung an sie neuzeitliche Hauptverkehrswege (u.a. die A66). Einige Kilometer hinter Heldenbergen ab der Abzweigung von der inzwischen weitgehend verschwundenen römischen Straße sind die aufgezeigten vorgeschichtlichen Verbindungen zwar meistenteils ins Abseits geraten. Doch haben sie sich zwischen den einzelnen Stationen großenteils als heutige Nebenwege erhalten oder sind doch im Gelände noch deutlich zu erkennen. Der Weg von der Straße am Südhang zur Autobahn war nun einmal nicht gradlinig. In vorgeschichtlicher Zeit war die rechte Nidderstraße als der Weg vom Glauberg über den Vogelsberg nach Nordosten offensichtlich eine wichtige Verbindung, die immer wieder von Hügelgräbern begleitet wird. Davon zeugen auch die zahlreichen Befestigunganlagen, die sich entlang von ihr finden und offensichtlich der Sicherung dieses Einfallstores dienten. Vera Rupp vermutet, dass über diese Straße auch ein Teil des Salzhandels der Nauheimer Saline abgewickelt wurde. Jedenfalls war sie eine wichtige Handelsstraße der keltischen Welt. Bereits in römischer Zeit hatten aber die Zubringer dieser Straße, die aus den verschiedenen Teilen der Wetterau zum Glauberg führten und die Höhenrücken beiderseits der Niddersenke benutzten, einen Teil ihrer Bedeutung verloren. Weitgehend war nun das System der vorgeschichtlichen Höhenwege im römischen Machtbereich durch (vielleicht nur ziemlich) gradlinig über Berg und Tal verlaufende Straßen ersetzt worden. Aus den gesicherten Rastplätzen ergibt sich, dass bis über Heldenbergen/Windecken hinaus von der Überführungsprozession römische Straßen benutzt worden sind. Schon ab der Abzweigung hinter Heldenbergen/Windecken wurde aber wenigstens in nachrömischer Zeit wieder an den vorgeschichtlichen Zubringer über die Höhen links der Nidder zum Glauberg angeknüpft und von dort der weitere Weg über die vorgeschichtliche Straße rechts der Nidder eingeschlagen. Der aufkommende schwere Wagenverkehr und die Ausrichtung auf Frankfurt haben auch dieser zu Zeiten des Bonifatius wohl noch Hauptverbindung (und damit wohl auch dem Glauberg) bald ihre Bedeutung genommen. Der Verkehr über den Vogelsberg scheint sich weitgehend auf die deutlich günstigere Hohe- oder Reffenstraße verlagert zu haben, und auch die rechte Nidderstraße ist so stark auf in Zeiten stärkerer Besiedlung günstigere Höhenzüge und in Täler verlegt worden, dass sie im 18. Jahrhundert kaum irgendwo noch der offensichtlich älteren Wegführung auch nur nahekam. Schließlich hat der neuzeitliche Straßenbau den Verkehr auch von diesen Straßen weggelenkt, und neue Waldwege sowie Flurbereinigungen haben die älteren Trassen an vielen Stellen völlig abkommen lassen. Tagesstrecken, Etappen und Rasten des Bonifatiuswegs Die Überführung Bonifatius' von Mainz nach Fulda wird seit 1914 im Bistum Fulda am 9. Juli gefeiert. Es gibt keinen Grund, von dieser inzwischen fast ein Jahrhundert alten Tradition abzuweichen. Nach der Überlieferung traf der Leib des Heiligen am 5. Juli, einen Monat nach dem Martyrium (einem in der Totenliturgie allgemein vorgesehenen Gedächtnistag), von Utrecht über den Rhein in Mainz ein. Dort lag er im alten Dom, der heute evangelischen St. Johannes Kirche, wo die Innereien entfernt, verbrannt und begraben wurden. Wenn er dort während eines feierlich begangenen Triduums (Dreitage) geblieben ist, begann die feierliche Überführungsprozession nach Fulda - zunächst per Schiff über den Rhein nach Hochheim -tatsächlich am 9. Juli und endete am 40. Tag nach dem Martyrium (ebenfalls einem liturgischen Gedächtnistag) am 16. Juli in Fulda. Angeführt wurde der Zug von zwei Heiligen, dem Mainzer Bischof Lullus und dem Fuldaer Abt Sturmius. Aus den zehn ermittelten Stationen ergibt sich ungleichmäßige Streckeneinteilung. Am ersten, letzten und mittleren Tag ist wegen vorhergehender Schiffahrt nach Hochheim, zu erwartetender Hauptrast in Glauberg und bevorstehender Ankunft in Fulda jeweils nur von einer längeren Wegstrecke ohne Mittagsrast auszugehen. Auch der Abstieg vom Vogelsberg erfolgte in längerer Etappe. 1. Tag (9. Juli) Mainz-Kriftel 1. Etappe: Mainz-Hochheim (per Schiff) > oben 2.Etappe: Hochheim-Kriftel (ca. 13 km - B40, heute verschwundene Verbindung nach Kriftel) I. Rast (Nachts): "Bonifatiuskapelle" im Tal vor Kriftel (der barocke Bau 1959 beim Straßenausbau beseitigt und auf der Höhe ein Neubau errichtet - Das sehr alte Basaltkreuz auf dem Krifteler Marktplatz wird mit der Überführung in Verbindung gebracht.) > oben Kriftel-Eschborn/Sossenheim (ca. 9 km - K822, A66 = Elisabethenstraße) II. Rast (Mittags): "Bonifatiuskreuz" zwischen Eschborn und Sossenheim (Auffallende Gruppe von drei Kreuzen - Die Stelle schon 1933 durch Autostraße und heute durch großflächige Autobahnauffahrt überlagert. Das mittlere "Bonifatiuskreuz" gelangte, nach Kriegsbeschädigungen restauriert, vom Historischen Museum Frankfurt ins Museum in Eschborn. Die beiden andern gingen unter). > oben 4. Etappe: Sossenheim-Kalbach (ca. 10 km - gut erhaltene Furt durch den Wester-Bach beim Bahnhof Eschborn-Süd, heutige Straßen "Heerstraße", "Praunheimer Weg" und "Kreuzerhohl", ab der Universität völlig überbaut - genauer Verlauf des Weges wird hier zur Zeit noch diskutiert) III. Rast (Nachts): "Bonifatiusbrunnen" bei Kalbach (Die Quelle floss noch im 19. Jahrhundert etwas weiter oberhalb und ist inzwischen zu einer Anlage ausgebaut worden) > oben 3. Tag (11. Juli) Kalbach-Heldenbergen/Windecken 5. Etappe: Kalbach-Schäferköppel (ca. 9 km - Bonames, "Steinstraße", gut erhaltene Furt durch den Eschbach, "Kästenbaum", vor und nach dem Erlenbach Reste der Trasse erkennbar) IV. Rast (Mittags): "Schäferköppel" bei Kloppenheim (die Stelle war für Einbeziehung der nördlich gelegenen Wettereiba in das Überführungsgeschehen hervorragend geeignet) > oben 6. Etappe: Schäferköppel-Ohlenberg bei Heldenbergen/Windecken (ca. 13 km - heute verschwundene "Steinstraße" durchs Feld, alte Ortsdurchfahrt Okarben, Nidda-Furt, heute verschwundene "Grüne Straße", "Alte Römerstraße"=K246, "Bonifatiusruhe" bei Heldenbergen, gradlinige Fortsetzung der Römerstraße über Nidderknick und Bahnhof Nidderau, tiefe Wegrinne in Richtung Südecke des Buchwaldes) V. Rast (Nachts): "Bonifatiusacker" am Ohlenberg über Heldenbergen/Windecken. (Drei Kilometer vorher "Bonfatiusruhe" vor Heldenbergen - In der Näher beider Stellen liegen Kaicher Freistuhl und Naumburg, nicht weit vom Maintal und der Hohen- oder Reffenstraße) > oben 4. Tag (12. Juli) Heldenbergen/Windecken-Glauberg 7. Etappe: Ohlenberg-Glauberg (ca. 15 km - alter Wegzug nur noch teilweise erhalten - Fortsetzung der Römerstraße bis vor den Baiersröderhof, Kreuzung mit dem alten Zubringer zum Glauberg, alter Wegzug entlang der Gemarkungsgrenze von Nidderau/Hammersbach, dort Wallanlage - Limesübergang beim römischen Steinturm, von Dieffenbach bezeugte große Wallanlagen zwischen Wald und Himbach heute verschwunden - vor dem Düdelsheimer Suder ein unerforschtes über 1 ha großes Viereck aus Wall und Graben - auf den Sattel zwischen Glauberg und Enzheimer Kopf direkt zum Fürstenhügel) VI. Rast (Nachmittags und Nachts): Glauberg (Verwaltungsmittelpunkt und Anlaufsstelle für den Verkehr nach Osten - bot sich für die Hauptrast in der Mitte der Strecke und vor dem Eintritt in das Waldgebiet des Vogelsberges an) > oben 8. Etappe: Glauberg-Schafskirche bei Lißberg (ca. 13 km - Furt bei der Glauberger Mühle, Aufstieg bis zur Gemarkungsgrenze von Nieder-Mockstadt, am oberen Abhang entlang zur B275, starke Rinne beim Aufstieg zum Bieberberg - bis hierhin wohl schon im Mittelalter abgekommen und durch eine Straße über von Bieberberg über Effolderbach und Leustadt zur Glauberger Mühle ersetzt - weiter auf der "Frankfurter Straße" an Eckartsborn vorbei, dort sehr gut erhalten) VII. Rast (Mittags): Schafskirche bei Lißberg (Ruine einer Kapelle - im Mittelalter war diese Kapelle gut dotiert, bislang nur Grabungsbefunde aus dem 15. Jahrhundert, nach der Zerstörung im Zuge der Reformation als Schafsunterstand benutzt - in der Nähe vorgeschichtlicher Eckartsborner "Brand", "Frauenberg" und "Wildfrauenhaus"). > oben "Schafskirche" bei Lißberg-Stumpe Kirche bei Burkhards (ca. 12 km - Abstieg zur Hillersbachfurt vor Lißberg, Aufstieg zum Lißberger Friedhof, Weiterführung auf der Südostkante des Höhenzuges zwischen Nidder und Hillersbach, der Wegezug direkt auf der Höhe entlang den Gemarkungsgrenzen erst spätmittelalterlich - an einem Viereck oberhalb von Hirzenhain und unterhalb des Reitkopfs bei Glashütten/Steinberg am Südhang des Schwarzwalds - Weg immer wieder unterbrochen, an einigen Stellen gut erhalten) VIII. Rast (Nachts): "Stumpe Kirche" bei Burkhards (Ruine eines größeren Gotteshauses, Chor aus dem 13. Jahrhundert, Grabungen wohl nicht abgeschlossen - bis zur Reformation angeblich Kirche für Burkhards, 1570 als Ruine "Mirtzelerkirche" bezeugt, aus diesem Namen im 18. Jahrhundert durch Würdtwein Fehlableitung eines unmöglichen Nur-Marcellinus-Patroziniums - in der Nähe das vorgeschichtliche "Steingeröll") > oben 6. Tag (14. Juli): Burkhards-Blankenau Stumpe Kirche bei Burkhards-Meyerbruchquelle (ca. 11 km - von der B276 bis zur L3338 gut erhalten, großer Anfang des 19. Jahrhunderts als Hirzrotstraße noch benutzter Bogen oberhalb von Sichenhausen im rechten Quellgebiet der Nidder um den Rehberg mit mehreren ausgeprägten Rinnen, höchste Stelle der gesamten Strecke bei Höhenpunkt 692,2. Nach der Formulierung von Ferdinand Stein ist dort im Sattel zwischen Herchenhainer Höhe und Hoherodskopf der natürliche Übergang über den Hohen Vogelsberg von der Wetterau ins Fuldaer Land.) IX. Rast (Mittags): "Bonifatiusquelle" an der Nordseite des Grebenhainer Bergs, heute "Meyerbruchquelle" (im Umkreis zahlreiche vorgeschichtliche Stellen. Nicht weit entfernt die offensichtlich den Übergang über die Höhe nach Osten zu sichernde auffallende, ebenfalls unerforschte Anlage "die Burg" und eine sehr große Hügelgräber-Nekropole) > oben 11. Etappe: Meyerbruchquelle-Kreppelstein bei Blankenau (ca. 16 km - diese schon im frühen Mittelalter abgekommene Strecke ist zwar in weiten Teilen verschwunden, als von großen, beiseitegeschobenen Steinen gesäumter Weg unterhalb der Burg, breite Trift durch die Heitz, Weg bei der Hardt und lange, breite Heckenstreifen oberhalb von Blankenau aber noch deutlich auszumachen) X. Rast (Nachts): "Kreppelstein" (Kreuz) bei Blankenau (ca. 1900 war dort noch eine Quelle. In der Nähe lag der nach dem Krieg gesprengte "Stickelstein" und oberhalb die vorgeschichtliche Anlage "Hüttenküppel") > oben 7. Tag (15. Juli): Blankenau-Fulda Kreppelstein bei Blankenau-Fulda (ca. 18 km - wegen der Vorgabe in der Grenzbeschreibung des 8. Jahrhundert kommt nur ein Verlauf über Kleinlüder und etwa entlang der L3139 in Betracht. Weil diese Strecke durch unbesiedeltes Land führt, hat die Frömmigkeit des Fuldaer Landes seit einem Jahrhundert den Bonifatiusweg an der Wallfahrtskirche von Kleinheiligkreuz und auch der Schnepfenkapelle festgemacht, die die alte Straße nach Fulda in geringer Entfernung einfassen) Über den Hang des Schulzenbergs erreichte der Überführungszug die Brücke von Fulda. Im ganz auf sein Grab ausgerichteten (deswegen nach Westen ausgerichteten) Dom, früher Klosterkirche, ruht Bonifatius noch heute. > oben |
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Für die gesamte Strecke von Mainz nach Fulda ist zu unterscheiden zwischen Bonifatiusweg und Bonifatiusroute: Bonifatiusweg ist der historische Weg, auf dem im Jahre 754 die Überführung erfolgte und den das Buch "Via Antiqua - Bonifatius' letzter Weg" rekonstruiert. Man wird einwenden, dass es nicht möglich sein kann, einen vor 1250 Jahren beschrittenen Weg über eine Strecke von 160 km zu ermitteln. Beim Bonifatiusweg indes - und dies macht einen besonderen Reiz aus - ist dies der Fall. Seine Rekonstruktion beruht nicht etwa auf Vermutungen, sondern auf zwingenden Schlussfolgerungen. Bislang konnten als gesicherte Anhaltspunkte nur gelten 1.Hochheim, 2.der Bonifatiusbrunnen bei Kalbach, 3.die Brücke von Fulda. Offensichtlich war noch als 4. die zwischen Kalbach und Hochheim an passender Stelle liegende Bonifatiuskirche bei Kriftel. Für den Verlauf der Überführung zwischen diesen Fixpunkten gab es in der Tat nur Annahmen, wenn sie sich auch auf einige Indizien stützen konnten. Inzwischen hat sich indes die Zahl der Fixpunkte verdoppelt. Sicher identifiziert werden konnten durch genaue Analyse der Schriftquellen die beiden Rastplätze an den "Bonifatiusbrunnen" bei Windecken und im Vogelsberg: Es sind der verschwundene Wichlingsbrunnen beim heutigen Hochbehälter oberhalb von Windecken und die Meyerbruchquelle unter dem Grebenhainer Berg im Vogelsberg. Eingeordnet werden konnte noch eine schriftliche Überlieferung des 8. Jahrhunderts, die den Verlauf des Überführungswegs als südlich der Bimbachquelle (zwischen Fulda und der Lüder) von West nach Ost beschreibt. Schließlich kommt als großer Rastplatz auf der Mitte des Weges jetzt nur noch der Glauberg zwischen den beiden Bonifatiusbrunnen in Betracht. Zwischen diesen Fixpunkten lassen die Gegebenheiten des Geländes jeweils nur einen einzigen nachvollziehbaren Straßenzug zu. Es mag zwar nach rechts und links gelegentlich Abweichungen um bis zu ein paar hundert Meter geben, im Wesentlichen liegt die Trasse aber nunmehr fest. Darüber hinaus lassen sich bei entsprechender Nachforschung noch zahlreiche Belege für diesen Straßenzug in oder unter dem Gelände finden. In der Wetterau ist dies vor allem ergrabener Straßenkörper römischer Straßen. Gelegentlich gibt es aber auch Rinnen eingebrochener römischer Straßen. Im Vogelsberg sind es Rinnen, doppelte Heckenraine, begleitende Wälle und öfter auch der alte Weg selbst. Die Bonifatiusroute dagegen ist ein Wander- und Pilgerweg, der sich naturgemäß nach den heutigen Gegebenheiten richten muss. Der Hauptreiz auch der Route liegt allerdings darin, auf den Spuren Bonifatius' zu wandeln, und sie sollte dem daher so weit als möglich Rechnung tragen. Streckenweise ist dies durchaus der Fall. Der allzu früh verstorbene Fritz Laue aus Hirzenhain, von dem die Urkarte der Bonifatiusroute stammt, hat sich stets um größte Nähe der Route zum Weg bemüht. Er hat vor Ort sorgfältig erkundet, inwieweit sich im Gelände Wandermöglichkeiten für die Route finden, die zum historischen Weg passen. Wenn von seinem Vorschlag abgewichen wurde, so war dies an einigen Stellen unvermeidlich. Im Vogelsberg haben Waldbesitzer an einigen Stellen eine passende Route schlicht nicht zugelassen. An andern Stellen haben aber auch örtliche Wünsche und Rivalitäten zu Abweichungen geführt, die nicht erforderlich sind. Das eine vermischt mit dem andern hat dazu geführt, das im Vogelsberg jenseits dem Übergang über die Höhe die Route nichts mehr mit dem Weg zu tun hat. Dort wandelt man nur auf einer Kreuzung und kurz vor Fulda auf Bonifatius' Spuren. |
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